Das Glockenprojekt der Nikolaikirche Leipzig

Newsletter Nr. 1 – August 2017

Die Glocken der Nikolaikirche – Geschichte und Geschichten

Die Nikolaikirche feierte im Jahr 2015 ihr 850-jähriges Bestehen. Nicht ganz so alt sind die Glocken, die derzeit in den Türmen der Kirche läuten und zur Andacht rufen, zum Gedenken mahnen, hohe Feste verkünden und uns sagen, was die Stunde geschlagen hat. Nun aber ist die Statik nicht mehr sicher, die Technik veraltet und der Klang schon lange keine Ohrenfreude mehr. Tragwerke und Glocken müssen dringend saniert werden.

 Wir wollen mit Ihnen gemeinsam ein neues Geläut weihen – zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 2019. Helfen Sie mit – Ihre Unterstützung wird zu Klang, zu Botschaft, zu Erinnerung.

 Mit unserem Newsletter informieren wir Sie gerne jedes Quartal über den Fortschritt des Projektes und über Geschichten rund um die Glocken der Nikolaikirche.

Guten Tag, liebe Freunde der Nikolaikirche,

auf der Suche nach Geschichte und Geschichten zur Nikolaikirche wird man in den kühlen Nebengelassen der Nikolaikirche fündig. Zwischen geprägten Einbänden oder auch grauen Pappdeckeln finden sich jahrhundertealte Notizen, Aufträge, Beschwerden, Fürsprachen. Die alten Handschriften und vergilbten Papiere wie auch die ehrerbietige Höflichkeit selbst bei Reklamationen ziehen den Leser in Bann.  Zum  Glück hat der Glockensachverständige Friedemann Szymanowski schon ausführlich recherchiert und viel Aufschlussreiches veröffentlicht. Mit diesem Newsletter erhalten Sie einen Auszug aus seinen Ausführungen – ergänzt um einige interessante Details.

Gegossen nach dem Bruderkriege in Dankestagen 1452
Ward ich von einer kaiserlichen Kugel zerschlagen 1633
Wieder gegossen trotz Krieg und betrübter Zeit 1634
Diente ich 233 Jahr in Freude und Leid.
Am Sterbetag des Herrn bin ich beim Läuten zersprungen 1867
Gott zum Preis und Ehren ist mein dritter Guß gelungen 1869

Diese Inschrift stand auf der Rückseite der „Großen Glocke“ aus der Glockengießerei Jauck und beschreibt sehr schön deren Vorgeschichte. Auch über die örtlichen Zuständigkeiten gibt sie Aufschluss, wie darunter zu lesen war:

1869
Unter der milden und weisen Regierung König Johanns von Sachsens,
da
Dr. C. W. O. Koch Bürgermeister der Stadt,
G. V. Lechler Superintendent der Ephorie,
F. F. Ahlfeld Pfarrer an der Kirche
waren, hat der Kirchenvorstand
als sein erstes Werk
meine und meiner drei Schwestern Erneuerung beschlossen
und ausführen lassen durch
Meister G. A. Jauck allhier.

Natürlich ist ein gewisses Auf und Ab Kirchenglocken durchaus eigen. Doch könnte einer Bronzeglocke bei ordnungsgemäßer Behandlung auch eine Lebensdauer von 400 oder 500 Jahren vergönnt sein.
Friedemann Szymanowski schreibt über diese Zeitspanne:

Konkrete Angaben über die Glocken der Nikolaikirche gibt es erstmals mit Berichten über eine Osanna, die im Jahr 1452 (vermutlich auf dem Nikolaikirchhof) von einem Meister LUCAS HALL gegossen wurde. Die Angaben zum Gewicht der Osanna schwanken zwischen 92 und 113 ⅓ Zentnern (entspricht heute ca. 4730 kg bis 5830 kg). Sie soll im Nordturm der Nikolaikirche gehangen haben. Neben einer Inschrift sollen auf der Glocke die vier Evangelisten und darunter die Kreuzigung Christi, sowie St. Nikolaus und St. Martinus dargestellt gewesen sein, darüber der Name Nicolaus Eisenberg. Wahrscheinlich war also NICOLAUS EISENBERG der Künstler, der die Glockenzier ausgeführt hat – vermutlich in Ritztechnik. Dabei wird die Glockenzier seitenverkehrt in den Mantel der Glockenform geritzt und erscheint dann auf der Oberfläche der gegossenen Glocke in feinen erhabenen Linien. Von einer zweiten oder mittleren Glocke der Nikolaikirche aus dem Jahr 1514 sind nur die Inschrift und ein Gewicht von 36 Zentnern (1815kg) überliefert. Außerdem wird die Existenz von zwei weiteren kleinen Glocken mit 3 ½ und 1 ½ Zentnern (180kg und 77kg) erwähnt. Einzelheiten über diese Glocken fehlen jedoch leider völlig.

Überlieferte Inschrift der Glocke von 1514:

Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus Sabaoth Hosianna
in excelsis Deo,
et omnes probi orate
1514

Im Dreißigjährigen Krieg wurde Leipzig wiederholt belagert und beschossen. Am 12. August 1633 bekam die Osanna durch den Beschuss mit einer „Feuerkugel“ einen Riss, und am 28. September wurde sie während des Läutens „völlig zersprengt“. Trotz Fortdauer des Krieges konnte bereits im darauffolgenden Jahr eine neue Glocke hergestellt werden. Der Erfurter Glockengießer Jakob König goss diese neue Glocke 1634 auf dem Nikolaikirchhof. Das Gewicht wird mit 114 bzw. 117 Zentnern (5859 kg oder 6013 kg) angegeben, der Durchmesser der Glocke soll 12 Ellen betragen haben.

Überlieferte, von Dr. Konrad Bund (Frankfurt/M.) ins Deutsche übertragene Inschrift der Glocke von 1634:

Selig sind, die in Gott sterben; Apoc. 14,13

Folgend in 5 Zeilen um die Glocke stehen die Zuständigen und Verantwortlichen jener Zeit.
Am unteren Rand der Glocke:

Diese große Glocke, im Jahre 1452 erstmals gegossen, hat jedoch am 28. des Monats September des vorangegangenen Jahres 1633 ohne Zweifel wegen des gewaltigen Zerbrechers der größeren eisernen Feuerkugel, die von den Kaiserlichen gegen das Dach der Nikolai-Kirche sosehr gerichtet wurde, einen Riß erlitten. Wiederum gegossen und hundert schwer gemacht.
Ich lobe den wahren Gott,
rufe das Volk,
versammle den Klerus
und gebe der Trauer Ton und den Klang der Freude.
Durchs Feuer bin ich geflossen, Jakob König von Erfurt hat mich gegossen. Zu Leipzig 1634.
Angewicht 114 Centner.

„Sie war die größte Glocke, die Leipzig jemals besessen hat“, ist später im Nachrichtenblatt St. Nikolai (Akte 430) zu lesen.

Diese von Jakob König gegossene Großglocke riss beim Karfreitagsläuten im Jahr 1867. Offenbar war man sich schnell einig, nicht nur die große gesprungene Glocke zu ersetzen, sondern gleich das komplette Geläut neu gießen zu lassen. Im Haushaltsplan von 1869 ist zu lesen: „… diese neue Herstellung muss aber auf alle Glocken der Kirche ausgedehnt werden …, da die dermaligen Glocken derselben nach Umfang, Gewicht und sonstiger Beschaffenheit in keinem tonlich richtigen Verhältnis zueinander stehen, weshalb denn auch das bisherige Nicolai-Kirchengeläute keineswegs zu den wohlklingenden gehörte …“

Zwischenzeitlich bestanden Überlegungen, das neue Geläut vom Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation aus Gussstahl fertigen zu lassen. Da der Bochumer Verein jedoch erst 1854 begonnen hatte, Glocken derart herzustellen, weil es deshalb mit Stahlglocken wenig Erfahrung gab und weil mit Bronzeglocken „eine größere Klangfülle und –schönheit“ zu erreichen sei, entschloss man sich zum Neuguss eines Bronzegeläuts. Den Auftrag erhielt die Leipziger Glockengießerei Gustav Adolph Jauck. Vermutlich im Mai oder Juni des Jahres 1869 entstanden in der Werkstatt an der Ecke Sternwartenstraße/Glockenstraße vier neue Glocken in der Tonfolge g0 – h0 – d­1 – g1. Ihre Gewichte sind mit 4055kg, 2060kg, 1220kg und 520kg überliefert. Am 18. Juli 1869 fand die Glockenweihe statt. Während die Osanna und die von Jakob König gegossene Nachfolgerin im Nordturm hingen, wurde die neue so genannte Große Glocke nun im Südturm aufgehängt, die drei übrigen – die Brautglocke, die Beichtglocke und die Morgenglocke – im Nordturm. Das im Jahr 1869 geschaffene Vierergeläut stellte eine der bedeutendsten Gussleistungen der Glockengießerei Jauck dar. Die g0-Glocke war eine der größten, wenn nicht sogar die größte Glocke, die aus dieser Werkstatt hervorging.

Akte 427, Blatt 2, Kostenvoranschlag sowie Anordvertrag 1869: „… Der Kirchenvorstand überträgt genanntem Herrn Jauck und dieser übernimmt die Herstellung eines harmonischen Glockengeläutes für die Nicolaikirche …“

Große Glocke 1869 von Gustav Adolf Jauck, hier bei der Abnahme 1917

Neben der eingangs genannten Inschrift war auf der von Jauck gefertigten Großen Glocke sowie den drei weiteren zudem zu lesen:

Große Glocke g0, 4055kg

EHRE SEI GOTT IN DER HOEHE
An Christo Jesu haben wir die Erlösung durch sein Blut,
nämlich die Vergebung der Sünden Eph. 4,7.
Bildliche Darstellung: der Evangelist Matthäus mit dem Menschensohn vor sich

Brautglocke h0, 2060kg

FRIEDE AUF ERDEN
Unser Glaube ist der Sieg,
der die Welt überwunden hat
1.
Brief Joh. 5,4
Bildliche Darstellung: der Evangelist Markus mit dem Löwen

Beichtglocke d1, 1220kg

UND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN
Sehet welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget,
daß wir Gottes Kinder sollen heißen
1.
Brief Joh. 3,1
Bildliche Darstellung: der Evangelist Lukas mit dem Stier

Morgenglocke g1, 520kg

LASSET DIE KINDLEIN ZU MIR KOMMEN
Wir haben hier keine bleibende Statt
sondern die zukünftige suchen wir:
Hebr. 13,14
Bildliche Darstellung: der Evangelist Johannes mit dem Ochsen

Zu den Kriegsverlusten und Neugüssen im 20. Jahrhundert schreibt Szymanowski:

Bedauerlicherweise läuteten die vier Glocken nur 48 Jahre lang zusammen. Am 25. Juli 1917 wurden die beiden großen und die kleinste Glocke des Geläutes vom Turm abgenommen, um sie für Rüstungszwecke einzuschmelzen. Die Beichtglocke blieb erhalten. Beim Herablassen stürzte die Große Glocke nach unten und grub sich mit einer Seite etwa einen halben Meter tief in den Gehweg. Über Verletzte wurde nicht berichtet, die Glocke hat angeblich dabei keinen nennenswerten Schaden genommen.

Danach freilich ist sie mit Gewalt zerschlagen worden. Hier ist erwähnenswert, dass der Kirchenvorstand aktiv um die „Zurückstellung der Ablieferung“ kämpfte und schließlich mit einem Schutzschein des Kunstgewerbemuseums zumindest die Uhrschlagglocke und die Beichtglocke vor der Einschmelzung für den Krieg retten konnte, wie die folgend abgebildete Akte zeigt.

Akte 427, Blatt 93: Schutzschein für die Beichtglocke

Akte 427, Blatt 127: Dokument abgelieferter Glocken

Glockenabnahme 1917, ein Seil riss, die Glocke grub sich einen halben Meter in den Gehweg
© Hermann Walter, Stadtgeschichtliches Museum

Als Ersatz für die drei verlorenen Glocken goss Otto Schilling Anfang Juli des Jahres 1925 zwei neue Bronzeglocken (h0 mit 2150 kg und e1 mit 1280 kg) in der Glockengießerei in Apolda. Die Glockenweihe fand am 11. Oktober 1925 statt.

Die beiden 1925 von Otto Schilling in Apolda gegossenen Glocken, Archiv der Nikolaikirche

Glockenaufzug 1925, Archiv der Nikolaikirche

Inschriften der Glocke h0, 2150kg:

HERR SEGNE UNS MIT TAT UND WORT! IN FREUD UND LEID BLEIB UNSER HORT
1925
EHRE SEI GOTT
IN DER HOEHE

Inschriften der Glocke e1, 1280kg:

HERR, SCHÜTZE UNSER VATERLAND! FÜHR TREULICH UNS MIT FESTER HAND
FRIEDE AUF ERDEN

Von dem nun bestehenden Dreiergeläut mussten jedoch wieder zwei Glocken zu Kriegszwecken abgeliefert werden. Anfang Dezember 1941 wurden die beiden großen Glocken (Schilling, h0 und Jauck, d1) auf dem Turm zerlegt. Am 18. Dezember 1941 erfolgte die Ablieferung. Die kleinste Glocke (Schilling, e1) verblieb im Turm.

Auch hier wurden Versuche unternommen, die Glocken zu erhalten. Ein Gutachten vom November 1941 (Akte 428, Blatt 97)  besagt, das ein „Aufbrechen des Mauerwerks zum Abtransportieren der Glocken zu unterlassen“ und auch „ein Abtransport der großen und mittleren Glocke durch das Fenster nicht angängig ist“. Darum wurden diese beiden dann im Turm zerlegt. Neben der kleinen Glocke erfuhr die Uhrschlagglocke durch dieses Gutachten Rettung, da sie senkrecht im Turm hätte abgelassen werden müssen. Dafür notwendige Deckendurchbrüche hätten die Standsicherheit des Turmes gefährdet..

Zu Beginn der 1950er-Jahre gab es Überlegungen zur Ergänzung des Geläutes. Zur verbliebenen e‘ – Glocke von 1925 sollten zwei Glocken mit den Tönen h0 und d1 gegossen und ebenfalls im Nordturm aufgehängt werden. Es dauerte aber noch mehr als zehn Jahre, bis das Vorhaben umgesetzt werden konnte.

Aus dieser Zeit finden sich auch etliche andere Akten, aus denen die Schwierigkeiten jener Tage erkennbar werden. Im Januar 1955 schrieb ein mit der Reparatur beauftragter Elektromeister (Akte 429): „… habe ich die Störung an der elektrischen Läuteanlage nur notdürftig beseitigen können, da zur Zeit kein Seil, welches sich für das defekte Seil verwenden lässt, aufzutreiben ist. Ich musste aus den Resten, welche ich vorfand, das notwendige Stück zusammensetzen. Wie lange wird es halten …“

Für die geplanten zwei neuen Glocken wird von einem Kostenanschlag von 35000 DM (Akte 430) berichtet. Allein um diese Summe zusammenzubekommen, sind viele Bitten und Briefe geschrieben worden. In einem von 1962 wird auch auf „… die Kleinheit unserer Kirchgemeinde St. Nikolai, welche durch Ausbombung u.a. mittlerweile auf 3800 Seelen abgesunken ist …“ hingewiesen. Die Gemeinde sammelte dreieinhalb Jahre für ihre neuen Glocken.

Wie aus einem Briefwechsel hervorgeht, bestanden beim Glockengießer Franz Schilling Bedenken, ob die h0-Glocke mit dem geplanten Durchmesser von 160 cm im vorhandenen Glockenstuhl montiert und geläutet werden könne. Er schlug deshalb vor, die beiden Glocken in einer neu konstruierten leichteren Glockenrippe zu gießen. Der Durchmesser der h0-Glocke konnte so auf 152cm verringert werden. Dieser Vorschlag wurde umgesetzt.

Am 1. September 1964 erfolgte der Guss zweier Bronzeglocken durch Franz Schilling in Apolda. Am Reformationsfest 1964 fand die Glockenweihe statt.

Inschriften der Glocke h0, 2342kg:

EHRE
SEI GOTT
IN DER
HÖHE
In Christo Jesu haben wir Erlösung
durch sein Blut die Vergebung der Sünden

Inschriften der Glocke d1, 1284kg:

DEN
MENSCHEN
EIN WOHL
GEFALLEN
Sehet welch Liebe hat uns der Vater erzeiget
daß wir Gottes Kinder sollen heißen

Glockenweihe 1964,© Evelyn Richter, Archiv der Nikolaikirche

Nicht von derartigen Unruhen geprägt ist die Geschichte der Uhrschlagglocke, wie Herr Szymanowski herausgefunden hat:

Thomas Freytag soll im Jahr 1493 eine „Seigerglocke“ gegossen haben. Eine Turmuhr wurde erstmalig 1511 erwähnt und soll sich an der Nordseite gegenüber der Nikolaischule gefunden haben. Des weiteren wird über eine Uhrschlagglocke berichtet, die 1555 gegossen worden sei und im Januar des Jahres 1556 das erste Mal geschlagen haben soll, sie soll 22 ½ Zentner (1156kg) gewogen haben.

Überlieferte Inschrift:

Zwölf Stunden hat ein jeder Tag
Eine Stunde ihr Noth und Plag
Welch Christus allein wenden mag.

Um 1730 soll sie zersprungen sein. Im Jahr 1737 goss Johann Gottfried Weinholdt in Dresden eine neue Uhrschlagglocke, die in der Laterne des Mittelturmes heute noch erhalten ist. Ihr Schlagton ist h0. Der Durchmesser dieser Glocke wird mit 154 cm, die Höhe mit 72 cm angegeben, das Gewicht soll 1920 kg betragen. Die Inschrift lautet:

Goß mich Johann Gottfried Meinhold in Dresden 1737

Auch über die Schwierigkeiten in Zeiten von Planwirtschaft und Materialmangel geben die Akten Auskunft. So zum Beispiel bedankt sich 1976 die mit der Überprüfung der Läuteanlagen beauftragte Firma (Akte 431): „… bitte rechnen Sie mit der Ausführung nicht mehr in diesem Jahr. Wir müssen staatliche Planauflagen erfüllen, sodaß wir uns in diesem Jahr kaum mit Läuteanlagen beschäftigen können.“ Drei Jahre später fragt der Kirchenvorstand höflich an, ob eine Überprüfung denn nun möglich sei. In einem Briefverkehr wenig später bezüglich einer neuen Läuteanlage wird wiederum keine Lieferzeit angegeben, „… da wir nie wissen, ob bzw. wann wir Material bekommen und wieviel staatliche Aufträge zu erfüllen sind. … Bitte rechnen Sie mit 5 Jahren …“

Soweit der Rückblick. Wie klingt es heute?

Glocke h0 von 1964, am Stahl-Glockenstuhl im Nordturm, Archiv der Nikolaikirche

Die zwei Glocken h0 und d1 von 1964 und die kleine Glocke e1 von 1925 läuten noch heute im Nordturm. Ihre Inschriften verkünden gemeinsam: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Es sind dieselben Worte, die das 1869 geweihte Geläut zierten.

Leider harmonieren diese Glocken tonlich nicht wirklich miteinander. Die Klangcharaktere der Glocken, die zwar in derselben Werkstatt – der Glockengießerei Schilling in Apolda –, aber zu verschiedenen Zeiten produziert wurden, sind sehr unterschiedlich; die Art der Aufhängung mindert die Klangentfaltung, und auch die leichteren Rippenkonstruktionen der 1964er Glocken wirken sich wohl nachteilig aus.  

Die 1917 abgenommene Große Glocke wurde bislang nicht ersetzt, damit fehlt seitdem auch das Klangfundament. Der Südturm ist verwaist, darin vorhanden sind allerdings noch der Holzglockenstuhl und das Holzjoch dieser Glocke – historisch wertvoll und sanierungsfähig.

verwaister historischer Holzglockenstuhl im Südturm, Archiv der Nikolaikirche

Im nächsten Newsletter wird uns der Glockensachverständige Roy Kreß über die Arbeit des Glockenmeisters Rudolf-Georg Jauck erzählen. Gerne können Sie sich für eine Zusendung des Newsletters anmelden.

Weitere Informationen zum Glockenprojekt finden Sie unter: glockenprojekt.nikolaikirche.de

Hinweis: Text in Auszügen aus: „St. Nikolai zu Leipzig – 850 Jahre Kirche in der Stadt“, Michael Imhof Verlag, 2015, Kapitel „Die Glocken der Nikolaikirche Leipzig“ von Friedemann Szymanowski. Dort finden sich auch alle Quellenangaben. Die angegebenen Glockengewichte und Inschriften variieren in den verschiedenen Akten und Aufzeichnungen.